Gemeinsames Sorgerecht – Zusammen für ein Kind sorgen?
Die elterliche Sorge ist die erste Pflicht eines jeden Elternteils. Rechtlich teilt sich das sogenannte Sorgerecht in alleiniges und gemeinsames Sorgerecht. Nach § 1627 des Bürgerlichen Gesetzbuches müssen Eltern ihre Sorgepflicht „in eigener Verantwortung und gegenseitigem Einvernehmen“ ausüben. Nicht immer lässt sich dieser Grundsatz in die Praxis übersetzen – gerade im Falle einer Trennung leiden Kinder häufig. Trotzdem sollten Eltern zum Wohl des Kindes versuchen, trotz einer Trennung oder Scheidung zu einer Einigung in Streitfragen zu gelangen. Doch was bedeutet ein gemeinsames Sorgerecht? Welche Rechte und Pflichten haben Eltern?
Das Wichtigste in Kürze: Was bedeutet gemeinsames Sorgerecht?
- Im Idealfall haben beide Elternteile das Recht, die elterliche Sorge auszuüben. Damit sind sie berechtigt, das Kind zu erziehen und zu beaufsichtigen, den Umgang mit Dritten zu regeln und die Vermögenssorge auszuüben.
- Ein gemeinsames Sorgerecht kann bei Einigkeit bei Notaren und Jugendämtern festgelegt werden. Im Streitfall können Elternteile ein gemeinsames Sorgerecht beim Familiengericht beantragen.
- Alltägliche Angelegenheiten können Elternteile immer auch allein entscheiden – alle anderen Entscheidungen müssen beim gemeinsamen Sorgerecht dagegen zusammen beschlossen werden.
- Das Sorgerecht an sich ist vom Aufenthaltsbestimmungsrecht und vom Umgangsrecht zu unterscheiden.
Ausführliche Informationen zum gemeinsamen Sorgerecht erhalten Sie im Folgenden.
Gemeinsames Sorgerecht: Rechte und Pflichten
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Grundlagen der elterlichen Sorge
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist die gemeinsame elterliche Sorge in § 1626 geregelt. Dort heißt es in Absatz 1:
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die (gemeinsame) elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
Das gemeinsame Sorgerecht wird manchmal auch „geteiltes“ Sorgerecht genannt. In der Regel nimmt das deutsche Recht an, dass derjenige der Vater des Kindes ist, der mit der Mutter verheiratet ist. Dann haben beide automatisch ein gemeinsames Sorgerecht. Ist die Mutter nicht verheiratet, so können die Eltern allerdings trotzdem ein geteiltes Sorgerecht beantragen.
Sorgerecht unverheirateter Eltern
In § 1626a Abs. 1 und 2 BGB steht über ein gemeinsames Sorgerecht unverheiratet Gebliebener:
(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,
- wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
- wenn sie einander heiraten oder
- soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.
(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Der Vater will gemeinsames Sorgerecht beantragen?
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich, dass das geteilte Sorgerecht grundsätzlich beiden Eltern zusteht, sofern dadurch keine Kindeswohlgefährdung entsteht. Besteht Einigkeit über Vaterschaft und Sorgerecht, so kann gegenüber dem Jugendamt oder einem Notar eine Sorgeerklärung abgegeben werden. Dies ist eine gute Möglichkeit, ein gemeinsames Sorgerecht außergerichtlich zu klären.
Im Sinne des Kindes haben auch Väter einen Anspruch auf das gemeinsame Sorgerecht, die ein uneheliches Kind haben. Der Antrag auf gemeinsames Sorgerecht kann in der Regel nur abgewiesen werden, wenn entsprechende Gründe nachgewiesen wurden. Dieses Formular, um ein gemeinsames Sorgerecht zu beantragen, sowie relevante Unterlagen müssen beim Familiengericht eingehen.
Gemeinsames Sorgerecht versus Umgangsrecht
Anders als im Sprachgebrauch besteht ein juristischer Unterschied zwischen Sorge- und Umgangsrecht. Während das Sorgerecht auch nur bei Mutter oder Vater liegen kann, besteht in den allermeisten Fällen ein Recht auf Umgang zwischen Kind und Eltern bzw. engen Bezugspersonen. Ein Ausschluss des Umgangsrechts ist sehr unwahrscheinlich und kann nur durch das Familiengericht angeordnet werden – etwa bei einer schweren Suchterkrankung eines Elternteils.
Gemeinsames Sorgerecht im Alltag
Gerade dann, wenn ein gemeinsames Sorgerecht nach einer Trennung besteht, bedarf es einer alltagstauglichen Regelung – andernfalls müssten alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Äußerst schwierig, wenn die Eltern nicht mehr unter einem Dach leben, was meist der Fall ist.
Daher geht die Rechtsprechung von einer Unterscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens und Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung aus. Erstere können auch von einem Elternteil allein entschieden werden, letztere bedürfen der gemeinsamen Entscheidung.
Angelegenheiten des täglichen Lebens
Hierzu gehören alle Angelegenheiten, die in ihren Ergebnissen absehbar und nicht endgültig sind. Die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes sind eher gering. Ein Elternteil kann über die Ernährung und die Bekleidung allein entscheiden, Zeugnisse unterschreiben oder die Schlafenszeiten festlegen.
Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung
Entscheidungen, die das Kind in seiner Entwicklung erheblich beeinflussen, bedürfen dagegen der Zustimmung beider Elternteile. Dazu zählt beispielsweise die Vermögensfürsorge oder die Durchführung von Operationen, die nicht im Notfall nötig werden. Aber auch ein Schulwechsel benötigt die Zustimmung beider Eltern, wenn diese ein gemeinsames Sorgerecht ausüben. Ein Umzug kann ebenfalls in diese Kategorie fallen.
Sonderfall Urlaub
Auch im Fall eines Reisewunsches gelten die für ein gemeinsames Sorgerecht festgelegten Rechte und Pflichten: Ein Urlaub gehört zu den Angelegenheiten des täglichen Lebens, wenn er
- in Deutschland oder im Gebiet der Europäischen Union erfolgt.
- zum Zweck von Familienbesuchen im Ausland stattfindet, beispielsweise bei Migrationshintergrund.
- in friedliche Regionen führt.
Beeinflusst ein gemeinsames Sorgerecht den Unterhalt?
In der Regel ist es unerheblich, ob beide Eltern ein geteiltes Sorgerecht ausüben. Der Unterhalt hängt vielmehr davon ab, bei wem das Kind wohnt und seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Grundsätzlich sind beide Eltern unterhaltspflichtig. Der betreuende Elternteil leistet normalerweise Naturalunterhalt, der andere Elternteil Barunterhalt.
Gemeinsames Sorgerecht nach Trennung: Wer bekommt das Kind?
Es sollte immer im Interesse der Eltern und des Kindes sein, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Manchmal sind die Fronten jedoch derart verhärtet, dass sich die Eltern nicht auf den Wohnort des Kindes einigen können. In diesem Fall kann eine Mediation sinnvoll sein. Andernfalls muss das Familiengericht entscheiden.
Dann spricht der Richter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht einem der Sorgeberechtigten zu, obwohl beide das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Zuweilen ist dies die einzige Möglichkeit, den Streit beizulegen.
In dem Fall kann ein Elternteil allein etwa über einen Umzug bestimmen. Ein gemeinsames Sorgerecht in Kombination mit dem alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht heißt jedoch nicht, dass dieser Elternteil über jeden Aufenthaltsort des Kindes bestimmen kann. Denn während sich das Kind beim zweiten Elternteil befindet, beispielsweise im Zuge des Umgangsrechts, darf dieser entscheiden, wo sich das Kind aufhält, wenn
- es sich dabei um eine Angelegenheit des täglichen Lebens handelt (Verwandtenbesuche, Treffen mit Freunden, Ausflüge und Urlaube innerhalb der EU etc.).
- es sich dabei um Orte handelt, die das Kindeswohl nicht gefährden.