Keine Witwenrente für Versorgungsehe: Eheschließung am Krankenbett
Ein geschiedenes Ehepaar aus Kassel entschied sich nach mehreren Jahren der Trennung zu einer erneuten Hochzeit. Nur 8 Monate später verstirbt der Ehemann, doch die Rentenversicherung lehnt den Anspruch der Witwe auf Hinterbliebenenrente ab. Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt hat diese Entscheidung in einem Urteil bestätigt (AZ L 5 R 51/17): Es besteht kein Anspruch auf Witwenrente, wenn eine Versorgungsehe zu vermuten ist.
Kein Anspruch auf Witwenrente: Was heißt Versorgungsehe?
Warum sich ein Paar zur Heirat entscheidet, kann unterschiedliche Gründe haben. Nicht immer ist Liebe dabei das vorrangige Motiv. Ist der einzige Grund für eine Hochzeit die Sicherung einer Rente für den Ehepartner, wird von einer sog. Versorgungsehe gesprochen. Hat die Rentenversicherung, den dringenden Verdacht, dass eine solche vorliegt, kann sie den Anspruch auf Witwer- oder Witwenrente für diese Versorgungsehe ablehnen.So geschah es auch im folgenden Fall: Ein Ehepaar war seit 2000 geschieden, im November 2012 entschied es sich zu einer erneuten Eheschließung. Nur zehn Tage vorher waren bei dem Mann mehrere Metastasen in der Leber und den Lymphknoten diagnostiziert worden. Ein tödlicher Ausgang der Krankheit war zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen.
§ 46 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) regelt, wann Anspruch auf Witwer- oder Witwenrente besteht. Zur Versorgungsehe findet sich darin folgender Absatz:
„Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.“
Urteile zur Witwenrente: Wann keine Versorgungsehe trotz kurzer Ehedauer vermutet wurde
Demnach besteht bei einer Ehe, die weniger als ein Jahr dauerte, in der Regel kein Anspruch auf Witwenrente, da eine Versorgungsehe zu vermuten ist. Allerdings gibt es auch Einzelfälle, in denen trotz kürzerer Ehedauer die Rente vom Gericht bewilligt wurde. Hier einige Urteile als Beispiel:
- 2011 heiratete ein krebskranker Mann eine Ukrainerin. Nach nur zwei Monaten Ehe verstarb der Ehemann und die Rentenversicherung verweigerte die Witwenrente, weil eine Versorgungsehe vermutet wurde. Die Witwe klagte und bekam vom Sozialgericht Berlin Recht. Ermittlungen hatten ergeben, dass das Paar bereits vor der Diagnose ernsthafte Heiratsabsichten verfolgt hatte. Aufgrund einer Verzögerung bei der Beschaffung der erforderlichen Papiere aus der Ukraine hatte das Paar die Eheschließung mehrere Monate hinausschieben müssen.
- Im Juni 2016 entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass eine Witwe Anspruch auf Witwengeld habe, nachdem ihr verbeamteter Mann nach nur zwei Monaten Ehe an den Folgen einer Krebserkrankung starb. Das Paar hatte zuvor bereits 19 Jahre zusammen gelebt und war seit 1995 verlobt gewesen. Aus wirklichkeitsnahen Gründen (u.a. die Trennung des Sohnes von seiner Frau) war die Hochzeit immer wieder verschoben worden.
- Nur 19 Tage dauerte die Ehe eines Paares in Berlin, als der 60-jährige Ehemann an Lungenkrebs starb. Die Rentenversicherung verweigerte der Gattin die Witwenrente wegen Versorgungsehe, doch das Sozialgericht Berlin entschied 2012 zugunsten der klagenden Witwe. Sie hatte belegen können, dass die Eheabsichten schon vor der Krebsdiagnose bestanden hätten. Die Hochzeit war lediglich durch ein sich über Jahre hinziehendes Scheidungsverfahren des Ehemannes verzögert worden.