Schuldprinzip bei Scheidung: Heute noch aktuell?
Eine Scheidung oder Trennung ist eine emotional sehr aufgeladene und angespannte Situation. Vor allem dann, wenn für die Eheleute die Schuldfrage bei der Scheidung eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Doch welche Bedeutung wird während einer Scheidung der Schuldfrage vor Gericht beigemessen?
Das Wichtigste in Kürze: Verschuldensprinzip bei der Scheidung
- Früher hatte bei einer Scheidung das Verschuldensprinzip eine hohe Bedeutung für denjenigen, der als an dem Scheitern der Ehe schuldig angesehen wurde.
- Konsequenzen konnten sich sowohl im Sorgerecht als auch beim Unterhalt ergeben.
- Statt des Schuldprinzips gilt bei Scheidung und Trennung aktuell das Zerrüttungsprinzip.
- Die Schuldfrage bei einer Scheidung ist in Deutschland normalerweise bedeutungslos.
Ausführliche Informationen zum Schuldprinzip bei der Scheidung erhalten Sie im Folgenden.
Verschuldensscheidung: Rechtliche Auswirkungen
Inhaltsverzeichnis
Was war das Schuldprinzip?
Das Schuldprinzip bei einer Scheidung war bis 1977 Teil des westdeutschen Rechts. Die grundsätzlich lebenslang angelegte Ehe sollte nur im Ausnahmefall geschieden werden. Dies war in der Regel gegeben, wenn Ehegatte oder -gattin schuldhaftes Verhalten gegenüber dem anderen gezeigt hatte.
Wer schuldig geschieden wurde, hatte erhebliche Nachteile gegenüber dem „unschuldigen“ Ehepartner. So war es dem schuldig Geschiedenen beispielsweise beinah unmöglich, das Sorgerecht für gemeinsame Kinder zugesprochen zu bekommen.
Auch in Unterhaltsfragen hatte der „Schuldige“ an der Scheidung meistens das Nachsehen: Nicht nur entfielen seine Ansprüche häufig, im Gegenzug war er in besonderem Maße seinem Ehegatten zum Unterhalt verpflichtet, oft gar ungeachtet seiner tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten.
Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Ansichten über Ehe, Familie und Scheidung wurde die Schuldfrage in der BRD 1976 abgeschafft. Im Zuge der Reform des Scheidungsrechts ersetzte das Zerrüttungsprinzip das Schuldprinzip bei einer Scheidung.
Was ist das Zerrüttungsprinzip?
Seit 1977 stellt sich die Schuldfrage vor Gericht in der Regel nicht mehr. Statt dem Schuldprinzip gilt bei Scheidung und Trennung das Zerrüttungsprinzip.
Besteht keine Aussicht auf Rettung der Lebensgemeinschaft, kann diese nach deutschem Recht geschieden werden. Rechtlich gesehen gibt es also seit Ende der 1970er Jahre keine schuldhafte Scheidung mehr.
Auswirkungen auf Folgesachen
Daher ist das Schuldprinzip einer Scheidung auch bei Folgesachen wie Sorgerechts-, Umgangs- und Unterhaltsstreitigkeiten normalerweise von keiner entscheidenden Bedeutung mehr. Rechte und Pflichten der Ehegatten richten sich nun weitestgehend nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Das Sorgerecht haben ebenso wie das Umgangsrecht normalerweise beide Elternteile. Für die Zusprechung des alleinigen Sorgerechts an einen der Elternteile bedarf es hingegen gewichtiger Gründe wie einer Kindeswohlgefährdung. Auch in diesen Fragen spielt das ehemalige Schuldprinzip der Scheidung in aller Regel keine Rolle mehr.
Sollte das Schuldprinzip während der Scheidung nichtsdestotrotz ein gewisses Gewicht besitzen, sollten Betroffene sich unbedingt einen Anwalt nehmen! Dies ist bei streitigen Scheidungen generell ratsam.