Sorgerecht abgeben: Ist das möglich?

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 2. November 2024

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Sorgerecht abgeben

Wenn sich Eltern scheiden lassen, muss oft entschieden werden, was die beste Lösung für die gemeinsamen Kinder ist. In manchen Fällen kann das ein Elternteil dazu bewegen, das Sorgerecht abzugeben. Aber was bedeutet das genau? Welche Schritte sind dafür nötig? Und können eigentlich auch beide Eltern das Sorgerecht abgeben?

Das Wichtigste in Kürze: Sorgerecht abgeben

Müssen Eltern, die das Sorgerecht abgeben, trotzdem noch Unterhalt zahlen?

Ja. Die Übertragung des Sorgerechts entbindet ein Elternteil nicht von der Unterhaltspflicht.

Ich habe mein Sorgerecht abgegeben. Erhalte ich es automatisch zurück, wenn der andere Elternteil verstirbt?

Nein. Wenn der Elternteil, der das alleinige Sorgerecht besitzt, stirbt, entscheidet das Familiengericht, ob der andere Elternteil das Sorgerecht erhält. Hier müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Verliert man auch das Umgangsrecht, wenn man sein Sorgerecht abgibt?

Nein. Das Umgangsrecht bleibt von der Abgabe des Sorgerechts unberührt.

Sorgerecht abgeben: Welche Gründe gibt es dafür?

Es gibt viele Gründe, das Sorgerecht abgeben zu wollen, wie z. B. eine Scheidung.
Es gibt viele Gründe, das Sorgerecht abgeben zu wollen, wie z. B. eine Scheidung.

Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes miteinander verheiratet, erhalten beide automatisch das gemeinsame Sorgerecht. Ist das nicht der Fall, ist nur die Mutter automatisch sorgeberechtigt. Der Vater kann aber mit ihr gemeinsam eine Sorgerechtserklärung beim Notar einreichen und dann ebenfalls das Sorgerecht erhalten.

Ebenso kann es aber auch vorkommen, dass ein Elternteil das Sorgerecht freiwillig abgeben möchte, sodass nur noch der andere Elternteil sorgeberechtigt ist. Dafür kann es viele Gründe geben, wie z. B.:

  • die Eltern trennen sich oder lassen sich scheiden
  • ein Elternteil ist für lange Zeit abwesend (z. B. aus beruflichen Gründen)
  • ein Elternteil ist nicht in der Lage, sich um das Kind zu kümmern

Wenn Sie das Sorgerecht abgeben, geben Sie das Recht auf, Entscheidungen über Ihr Kind treffen zu können. Sie dürfen nicht mehr mitbestimmen, wo sich das Kind aufhalten oder wie es medizinisch behandelt werden soll, und können auch nicht länger das Vermögen des Kindes verwalten. Für den anderen Elternteil, der das alleinige Sorgerecht erhält, wird es wiederum leichter, da er dann alle Entscheidungen für das Kind alleine treffen darf und nicht mehr zur Absprache mit Ihnen verpflichtet ist.

Aber: Von der Unterhaltspflicht sind Sie dadurch nicht befreit! Auch Elternteile, die ihr Sorgerecht abgeben, müssen weiterhin Kindesunterhalt zahlen.

Haben Sie Ihr Sorgerecht abgegeben und der andere Elternteil verstirbt (oder verliert das Sorgerecht), erhalten Sie das Sorgerecht nicht automatisch zurück. Stattdessen muss hier gerichtlich nach Einzelfall entschieden werden, ob Sie das Sorgerecht erhalten.

So können Sie Ihr Sorgerecht abgeben

Sorgerecht übertragen: Ohne Gericht geht es nicht, selbst wenn beide Eltern sich einig sind.
Sorgerecht übertragen: Ohne Gericht geht es nicht, selbst wenn beide Eltern sich einig sind.

Möchten Sie Ihr Sorgerecht abgeben, können Sie selber nicht aktiv werden. Stattdessen muss der andere Elternteil beim Gericht einen Antrag auf Übernahme des alleinigen Sorgerechts stellen. Sie müssen dem dann nur noch zustimmen. Selbst wenn Sie und Ihr (Ex-)Partner sich hier einig sind, kommen Sie nicht um einen Gang vors Gericht herum. Vorher sollten Sie sich aber noch ans zuständige Jugendamt wenden, um Details und offene Fragen zu klären.

Das gilt natürlich auch, wenn kein Einvernehmen zwischen Ihnen beiden besteht. Wollen Sie Ihr Sorgerecht nicht freiwillig abgeben, kann der andere Elternteil trotzdem das alleinige Sorgerecht beantragen. Da Sie diesem Antrag nicht zustimmen, muss ein Gericht entscheiden. Natürlich entzieht dieses niemandem das Sorgerecht, nur weil dessen Ex-Partner das verlangt.

Damit es so weit kommt, dass jemand gegen seinen Willen das Sorgerecht für sein Kind verliert, müssen in der Regel schwerwiegende Gründe vorliegen, wie z. B.:

  • Kindesmisshandlung
  • Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
  • schwere körperliche oder geistige Einschränkungen, wodurch eine potentielle Kindeswohlgefährdung vorliegt

Sorgerecht abgeben an das Jugendamt

Manchmal möchten Eltern das Sorgerecht ans Jugendamt abgeben, zum Beispiel wegen Überforderung oder weil sie gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. In bestimmten Fällen ist das tatsächlich möglich, allerdings ist das ein sehr komplizierter Prozess, bei dem viele individuelle Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst um Ihr Kind zu kümmern, sollten Sie sich unbedingt ans Jugendamt wenden und sich beraten lassen. In vielen Fällen ist es nicht nötig, das Sorgerecht abzugeben, weil andere Optionen existieren. Das kann zum Beispiel eine vorübergehende Fremdunterbringung des Kindes in einem Heim oder einer Pflegefamilie sein.

Die endgültige Sorgerechtsübertragung ist ein sehr drastischer Schritt, dem das Jugendamt in der Regel nur zustimmt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Sorgerecht freiwillig abgeben: Welche Kosten entstehen dabei?

Sind Sie der Elternteil, der das Sorgerecht abgeben möchte, müssen Sie nichts weiter tun, als dem Antrag Ihres (Ex-)Partners auf alleiniges Sorgerecht vor Gericht zuzustimmen. Dafür fallen für Sie keine Kosten an. Auch die Beantragung selbst ist kostenlos. Wenn Sie sich allerdings vorher von einem Anwalt beraten lassen, müssen Sie mit einer Beratungsgebühr von bis zu 250 Euro rechnen. Wenn Sie sich außerdem anwaltlich vertreten lassen, fallen Anwaltskosten von mindestens 500 Euro an.

Über den Autor

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Gitte H.

Gitte hat Germanistik und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit 2017 ein Mitglied des scheidung.org-Teams. Im Familienrecht befasst sie sich vor allem mit den Themen Unterhalt, Sorgerecht und Erbrecht.

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Kommentare

  1. S. sagt:

    Guten Tag,
    bisher hatten wir das gemeinsame Sorgerecht. Jetzt möchte der Vater das Sorgerecht an mich übertragen, da er sich körperlich und psychisch nicht mehr in der Lage sieht, Entscheidungen für unser Kind zu treffen. Dies lies der Vater durch einen Brief seines Anwalt mir mitteilen. Ich habe darum den Antrag auf das alleinige Sorgerecht bei Gericht durch einen Rechtspfleger eingereichen lassen. Bei unserem Kind liegt eine Transidentität vor, womit der Vater nicht umgehen möchte, mir unterstellt ich hätte das Münchhausen Syndrom und hätte unser Kind so sehr manipuliert, dass es sich dem anderen Geschlecht zugehörig empfindet. Dem ist selbstverständlich nicht so. Unser Kind empfindet sich seit dem 4. LJals Mädchen. Inzwischen ist unser Kind bald 14 Jahre alt, die Dringlichkeit des pupertätsbremsenden Medikament wurde von einem Kinderpsychologen schriftlich verfasst. Der Vater lehnte dieses Medikament bisher ab, jetzt möchte er aber plötzlich das Sorgerecht an mich übertragen.
    Meine Frage: kann es nun bei Gericht dazu kommen, dass jetzt ein Gutachten über meine Erziehungsfähigkeit erstellt wird, obwohl das Gericht vor 3 Jahren den Umgang zum Ruhen gebracht hatte? Dies würde dann nämlich bedeuten, dass die Gabe des Medikaments hinausgezögert würde, bis das Gutachten fertig erstellt wurde. Unser Kind leidet unter der Pubertät.
    Ich bedanke mich im voraus für Ihre Antwort.
    Viele Grüße
    S.

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