Ab wann ist eine Scheidung rechtskräftig?
Das Scheidungsverfahren kann je nach Ausgestaltung und Umfang der im Verbund zu verhandelnden Folgesachen sechs Monate und mehr umfassen. Ist der Scheidungstermin endlich erreicht, steht an dessen Ende in aller Regel die Verkündung des vom Gericht getroffenen Scheidungsbeschlusses. Doch: Die Rechtskraft der Scheidung ist an diesem Punkt zumeist noch nicht erreicht. Aber ab wann genau ist eine Scheidung eigentlich rechtskräftig? Und was hat es mit dem Rechtskraftvermerk auf sich?
Wie lange dauert es, bis die Scheidung rechtskräftig ist?
Was bedeutet „Rechtskraft“?
Bevor wir uns vertieft damit beschäftigen, ab wann ein Scheidungsurteil rechtskräftig wird, bedarf es zunächst einer grundlegenden Erläuterung des Begriffes „Rechtskraft“. Dem Grunde nach bestimmt die Rechtskraft im juristischen Sinne, dass ein ergangenes Urteil bzw. ein Beschluss abschließend wirksam wird.
Alle in einem Urteil beschlossenen Punkte sind dadurch rechtssicher, denn aufgrund der Rechtskraft sind nachfolgende Klagen häufig unzulässig. Zu unterscheiden ist dabei vor allem zwischen der materiellen und der formellen Rechtskraft:
- Die formelle Rechtskraft bezieht sich ausschließlich auf den objektiv stets gültigen Status eines Urteils – seine Unanfechtbarkeit. Sie tritt immer dann ein, wenn a) die gesetzlich eingeräumte Frist abgelaufen ist, ohne dass zulässige Rechtsmittel wie Berufung, Revision oder Beschwerde eingereicht wurden oder b) sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft und die letztinstanzliche Entscheidung gefallen ist.
- Die materielle Rechtskraft hingegen bezieht sich auf die Inhalte ergangener Urteile – den Streitgegenstand. In diesen getroffene Regelungen können unter anderem etwa auch Ansprüche einer Partei begründen. Sind diese rechtskräftig, so können Rechtsfolgen wie Pfändungsklagen oder Mahnungen erfolgen, um die bestehenden Ansprüche (etwa auf Unterhalt, Ausgleichszahlungen u. a.) einzufordern, sollte der Schuldner selbst dem nicht nachkommen.
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Kann die Rechtskraft durchbrochen werden?
Zwar gilt ein rechtskräftiger Beschluss als unanfechtbar, dennoch sind im deutschen Prozessrecht auch Möglichkeiten vorgesehen, die die Rechtskraft durchbrechen können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Einzelfall die Gerechtigkeit Vorrang vor der Rechtssicherheit des Anspruchstellers haben muss.
Unter anderem in folgenden Fällen kann auch ein rechtskräftiges Urteil im Zweifel widerrufen werden:
- Wiederaufnahme des Verfahrens: Hierbei wird ein bereits abgeschlossenes Verfahren erneut aufgenommen und neu verhandelt, sofern eine berechtigte Begründung hierfür vorliegt. Im Zivilrecht ist die Wiederaufnahme nur äußerst selten möglich.
- Vollstreckungsabwehrklage: Hierbei kann ein Vollstreckungsschuldner gegen einen bestehenden Titel vorgehen. Wird die Unrechtmäßigkeit des Anspruches anerkannt, kann der Titel unwirksam gemacht werden.
- Abänderungsklage: Diese kann besonders auch bezüglich bestehender Unterhaltstitel angebracht sein, etwa dann, wenn sich die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners maßgeblich verändern oder aber der Unterhaltsberechtigte zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandene Einkünfte erzielt, die den Unterhaltsanspruch beeinflussen.
- Verfassungsbeschwerde: Eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht stellt einen außerordentlich Rechtsbehelf dar, den eine Person nutzen kann, wenn ihre Grundrechte oder vergleichbare verletzt wurden. Bevor die Verfassungsbeschwerde erfolgen kann, bedarf es in aller Regel einer Anhörungsrüge.
- Verweisungsbeschluss: Hier wird die rechtsmäßige Zuständigkeit des beschließenden Gerichts selbst angefochten. War das Gericht gar nicht für die Verhandlung des Falles zuständig, kann dessen Urteil aufgehoben werden. Der Prozess wird bei dem zuständigen Gericht neu verhandelt.
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Wurde ein Scheidungsurteil etwa rechtskräftig, weil die Rechtsmittelfrist ohne Verschulden des Betroffenen versäumt wurde, kann die Wiedereinsetzung beantragt werden. Dann erfolgt die Zurücksetzung der Frist, die Einlegung von Rechtsmitteln ist wieder möglich.
Wann genau tritt nun aber die Rechtskraft beim Scheidungsurteil ein? Welche Fristen müssen Sie beachten?
Wann ist die Scheidung rechtskräftig?
Wenn sich Ehegatten scheiden lassen, so gilt die Ehe auch erst dann als vollständig aufgelöst, wenn der Scheidungsbeschluss rechtskräftig geworden ist (§ 1564 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Nicht jedem ist jedoch bewusst, dass der Scheidungsbeschluss nicht schon Rechtskraft erlangt, wenn der Scheidungstermin abgeschlossen und der Beschluss mündlich verlesen worden ist. Dies ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:
Von diesem Vorgang ist jedoch generell eher abzuraten. Zwar wünschen sich die meisten Scheidungswilligen, dass das Verfahren so schnell wie möglich beendet ist, aber: In dieser aufgewühlten Situation kann auch der ein oder andere Kompromiss vorschnell eingegangen werden.
Haben die Parteien nach dem Scheidungstermin wieder genügend Zeit, um die getroffenen Entscheidung noch einmal in Ruhe durch zu spielen, kann vielleicht doch der ein oder andere Punkt sauer aufstoßen.
Wurde jedoch zu diesem Zeitpunkt der Rechtsmittelverzicht übereilt erklärt, ist gegen ein rechtskräftiges Scheidungsurteil nicht mehr viel auszurichten, wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist.
Um also auf Nummer sicher zu gehen, sollten Sie sich und der Gegenseite die Bedenkzeit zugestehen, die Ihnen von Amts wegen nach Zugang des Scheidungsbeschlusses eingeräumt wird. Erst wenn die Rechtsmittelfrist dann ohne die Einlegung von eben diesen verstrichen ist, wird die Scheidung automatisch rechtskräftig. Doch welche Frist gilt hier?
Welche Rechtsmittelfrist gilt bei Scheidung?
Die gesetzlich gewährte Frist für die Einlegung von Rechtsmitteln richtet sich nach den jeweils möglichen Optionen. Im Scheidungsverfahren sind nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zwei Rechtsmittel zulässig:
- die (Rechts-)Beschwerde – ähnlich der Berufung in anderen Prozessen – und
- die sofortige Beschwerde.
Die sofortige Beschwerde ist als Rechtsmittel jedoch nur auf Neben- oder Zwischenentscheidungen anwendbar – also etwa Teilentscheidungen zum Versorgungsausgleich, Sorgerecht, der Wohnungszuweisung u. v. m. Wurden Teilentscheidungen im Scheidungsverfahren getroffen, haben Sie nach § 569 Zivilprozessordnung (ZPO) zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung Zeit, um die sofortige Beschwerde durch Ihren Anwalt vor Gericht einzubringen.
Beschwerdefrist abgelaufen = Ehe rechtskräftig geschieden
Die Frist für die Einreichung einer Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss liegt bei einem Monat ab Zustellung der Ausfertigung (§ 71 Absatz 1 FamFG). Dabei muss die Beschwerde zunächst noch nicht ausführlich begründet werden. Für die schriftliche Begründung haben Sie und Ihr Anwalt dann erneut einen Monat Zeit (§ 71 Absatz 2 FamFG).
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn Sie oder Ihr Ehegatte nach Erhalt des Scheidungsbeschlusses innerhalb eines Monats keine Beschwerde einlegen, wird die Scheidung automatisch rechtskräftig.
Hiernach gilt Ihre Ehe als rechtskräftig und abschließend aufgehoben. Nur noch Rechtsbehelfe wie z. B. eine Abänderungsklage oder Wiederaufnahme können noch wirksam werden, sofern dem Vorgang triftige Begründungen zugrunde liegen.
Der Ihnen zugesandte Scheidungsbeschluss muss hiernach jedoch noch mit dem sogenannten „Rechtskraftvermerk“ versehen werden, um über die rechtskräftige Scheidung Auskunft geben zu können.
Zugewinnausgleich erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist?
Bis 2009 erfolgte der Zugewinnausgleich erst nach rechtskräftiger Scheidung, da als Stichtag für das Endvermögen der Ehegatten der Zeitpunkt der endgültigen Auflösung der Zugewinngemeinschaft festgeschrieben war.
Mit der Familienrechtsreform wurde ein neuer Stichtag hierfür festgelegt: Nach § 1384 BGB ist seither bei Eheauflösung die Rechtshängigkeit der Scheidung für die Bezifferung des Endvermögens anzusetzen.
Die Bedeutung vom Rechtskraftvermerk bei Scheidung
Wozu benötigen Sie das Scheidungsurteil mit Rechtskraftvermerk eigentlich? Selbst wenn die Scheidung selbst offiziell rechtskräftig ist: Die Ausfertigung des richterlichen Beschlusses, die Ihnen nach dem Scheidungstermin zuging, kann nicht als wirksamer Nachweis über die Scheidung dienen.
Egal ob Sie nach der Scheidung Ihren Geburtsnamen wieder annehmen wollen oder aber gegenüber Rentenkasse oder Versicherungen den Nachweis über die Scheidung erbringen müssen: Hierfür benötigen Sie ein rechtsgültiges und beglaubigtes Dokument bzw. eine Urkunde.
Und auch dann, wenn im Rahmen der Scheidung Regelungen zum Kindes- oder nachehelichen Unterhalt getroffen wurden, benötigen Sie den beglaubigten Beschluss. Dieser fungiert dann nämlich gleichermaßen auch als Unterhaltstitel, mit dessen Hilfe Sie Ihre Ansprüche bei Zahlungsweigerung des Unterhaltsschuldners im Zweifel per Zwangsvollstreckung oder Lohnpfändung durchsetzen können.
Wie können Sie den Rechtskraftvermerk auf dem Scheidungsurteil einholen?
Die Beurkundung übernimmt im Falle von richterlichen Beschlüssen bzw. Urteilen anders als bei Verträgen kein Notar, sondern das zuständige Amtsgericht selbst. In der dort befindlichen Rechtsstelle können Sie bzw. Ihr Anwalt den Antrag auf Erteilung des Rechtskraftvermerks stellen. Die Urkundsbeamten des Gerichts sind befugt, den Rechtskraftvermerk auf dem ausgefertigten Beschluss zu erteilen.
Mit diesem Vorgang gilt das Scheidungsverfahren als beendet.